Fahrt der Klassen 6a und 6b ins jüdische Kulturzentrum „Shalom Europa“
von Melanie Sander
Am Donnerstag, den 17.02.22 fand nach zweijähriger „Corona-Pause“ eine Fahrt der 6. Klassen ins jüdische Kulturzentrum „Shalom Europa“ statt. Begleitet wurden die 53 Schülerinnen und Schülern von ihren Religionslehrerinnen Frau Schürmann, Frau Marie-Bernadette Reichert und Frau Sander sowie den beiden Ethiklehrern Herrn Feller und Herrn Leusser. Die Durchführung der Fahrt erforderte Corona-angepasste organisatorische Veränderungen und erhielt mit einer parallel laufenden Stadtführung von Herrn Feller, der mit jeweils einer Klasse im Wechsel auf den Spuren jüdischen Lebens durch Würzburg „wandelte“, ein neues, bereicherndes Format.
Doch zunächst zum Ablauf: Die von den Klassen lang herbeigesehnte Fahrt- war sie doch seit der Corona-Pandemie die erste- begann um ca. 8:15Uhr mit der Busfahrt nach Würzburg, coronakonform, in zwei, nach Klassen getrennten Bussen.
In Würzburg angekommen besuchten die beiden Klassen im Wechsel das Museum und die Synagoge. Für die Führung durch das Museum sowie in die Synagoge standen jeder Klasse je zwei Synagogenführer zur Verfügung, sodass die Gruppen sehr klein und übersichtlich waren. Zeitgleich fand für die jeweils andere Klasse die Stadtführung mit Herrn Feller statt.
Um 9.30 Uhr startete die Klasse 6a mit den Lehrern Herrn Leusser und Frau Sander im Museum bzw. in der Synagoge. In zwei Gruppen konnten die Schüler eine Tora hautnah besichtigen und sich auch eine Vorstellung von der Größe einer Mesusa machen, welche die Türpfosten jüdischer Häuser ziert. Auch die Gebetskleidung der Juden beeindruckte in ihrem Aussehen und ihrer Gestaltung und konnte die behandelten Unterrichtsinhalte beeindruckend veranschaulichen.
Des Weiteren wurde den Schülerinnen und Schülern ein Überblick über wichtige Stationen traditionellen jüdischen Lebens gegeben, wie z.B. über die Geburt, Beschneidung, Namensgebung, Bar und Bat Mizwa, Hochzeit sowie Sterben, Tod und Trauer. Hierbei hatten sie die Möglichkeit, bereits vorhandenes Unterrichtswissen zu vertiefen und zu erweitern.
Auch ein Blick in die jüdische Geschichte Würzburgs und der Etablierung der ersten jüdischen Gemeinde kamen nicht zu kurz: Hierbei erfuhren die Schülerinnen und Schüler nicht nur, dass sich bereits 1100 n. Chr. erste jüdische Bürger in Würzburg ansiedelten, deren Mitgliederzahl bis in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts stetig wuchs, sondern auch, dass die Juden immer wieder von Pogromen (1298 und 1349) und nicht zuletzt von der Schoah in der Zeit des Nationalsozialismus heimgesucht wurden. Die Tatsache, dass allein in Würzburg 895 Mitglieder der Gemeinde ermordet wurden, machten die Schülerinnen und Schüler sehr betroffen. Die im Museum zahlreich ausgestellten Grabsteine und Grabfragmente dokumentieren auf grausame Weise den Völkermord und sind die größte Hinterlassenschaft aus einem mittelalterlichen Judenfriedhof weltweit.
Nach einem sehr ausführlichen Rundgang durch das Museum hatten die Schülerinnen und Schüler am Ende der Führung noch die Möglichkeit, die Synagoge von innen zu bewundern, wo noch heute täglich zwei Gottesdienste stattfinden.
Nach einer ca. 1 ½ stündigen Führung durch das Museum und die Synagoge fand die Stadtführung mit Herrn Feller statt.
Die Führung begann an der Würzburger Residenz und führte an der 1938 in der Reichspogromnacht zerstörten ehemaligen Synagoge (heute Archiv und Bibliothek des Bistums Würzburg) vorbei in die Bibrastraße zur ehemaligen israelitischen Lehrerbildungsanstalt. Besonders beeindruckt zeigten sich die Schülerinnen und Schüler auch vom ehemaligen jüdischen Ghetto am Marktplatz, wo selbst die reichsten Juden gezwungen waren, auf engstem Raum zu leben sowie von der heutigen Marienkapelle, dem ehemaligen Standort der ersten jüdischen Synagoge.
Immer wieder stießen die Schülerinnen und Schüler bei ihrem Rundgang auf Stolpersteine, welche an das Schicksal der Menschen erinnern, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, ermordet, deportiert oder vertrieben wurden. So fand man solche auch vor dem heutigen Geschäftshaus Kaufhof, das bis zur „Arisierung“ durch Joseph Neckermann Kaufhaus Ruschkewitz hieß. Auch das heutige Krankenhaus Juliusspital lässt heute Spuren eines jüdischen Friedhofs höchstens erahnen, hätte Herr Feller nicht ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht.
Die Führung endete am Würzburger Hauptbahnhof, wo ein Mahnmal aus Gepäckstücken an die Deportationszüge erinnern soll, mit denen jüdische Unterfranken zwischen 1941 und 1943 in Konzentrationslager abtransportiert wurden.
Die Fahrt war für alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen eine Bereicherung und kann durchaus als gelungen bezeichnet werden.
Besonderen Dank gilt neben den vier Synagogenführern Frau Elisabeth Schmidt, Frau Dr. Waltraud Schröter, Herrn Roland Müller und Herrn Franz Ziegler unserem Ethiklehrer Herrn Feller für die interessante und ergänzende Stadtführung.