Fahrt ins jüdische Kulturzentrum „Shalom Europa“
von Melanie Sander
Wie jedes Jahr fand für die Schülerinnen und Schüler der 6. Klassen am Donnerstag, den 16.02.23 eine Fahrt ins jüdische Kulturzentrum „Shalom Europa“ statt. Begleitet wurden die 65 Schülerinnen und Schüler von ihren Religionslehrern Frau Schürmann, Herr Thomas und Frau Sander sowie dem Ethiklehrer Herrn Feller, welcher die Stadtführung übernahm.
Nach Aufteilung der Klassen 6a, b und c in zwei Gruppen konnten die Schülerinnen und Schüler in der Synagoge eine Tora hautnah besichtigen und sich auch eine Vorstellung von der Größe einer Mesusa machen, welche die Türpfosten jüdischer Häuser ziert. Auch die Gebetskleidung der Juden beeindruckte in ihrem Aussehen und ihrer Gestaltung und konnte die behandelten Unterrichtsinhalte beeindruckend veranschaulichen. Des Weiteren wurde den Schülerinnen und Schülern ein Überblick über wichtige Stationen traditionellen jüdischen Lebens gegeben, wie z.B. über die Geburt, Beschneidung, Namensgebung, Bar und Bat Mizwa, Hochzeit sowie Sterben, Tod und Trauer. Hierbei hatten sie die Möglichkeit, bereits vorhandenes Unterrichtswissen zu vertiefen und zu erweitern. Auch ein Blick in die jüdische Geschichte Würzburgs und der Etablierung der ersten jüdischen Gemeinde kamen nicht zu kurz: Hierbei erfuhren die Schülerinnen und Schüler nicht nur, dass sich bereits 1100 n. Chr. erste jüdische Bürger in Würzburg ansiedelten, deren Mitgliederzahl bis in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts stetig wuchs, sondern auch, dass die Juden immer wieder von Pogromen (1298 und 1349) und nicht zuletzt von der Schoah in der Zeit des Nationalsozialismus heimgesucht wurden. Die Tatsache, dass allein in Würzburg 895 Mitglieder der Gemeinde ermordet wurden, machten die Schülerinnen und Schüler sehr betroffen. Die im Museum zahlreich ausgestellten Grabsteine und Grabfragmente dokumentieren auf grausame Weise den Völkermord und sind die größte Hinterlassenschaft aus einem mittelalterlichen Judenfriedhof weltweit. Die anschließende Stadtführung mit Herrn Feller begann an der Würzburger Residenz und führte an der 1938 in der Reichspogromnacht zerstörten ehemaligen Synagoge (heute Archiv und Bibliothek des Bistums Würzburg) vorbei in die Bibrastraße zur ehemaligen israelitischen Lehrerbildungsanstalt. Besonders beeindruckt zeigten sich die Schülerinnen und Schüler auch vom ehemaligen jüdischen Ghetto am Marktplatz, wo selbst die reichsten Juden gezwungen waren, auf engstem Raum zu leben sowie von der heutigen Marienkapelle, dem ehemaligen Standort der ersten Synagoge. Immer wieder stießen die Schülerinnen und Schüler bei ihrem Rundgang auf Stolpersteine, welche an das Schicksal der Menschen erinnern, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, ermordet, deportiert oder vertrieben wurden. So fand man solche auch vor dem heutigen Geschäftshaus Kaufhof, das bis zur „Arisierung“ durch Joseph Neckermann Kaufhaus Ruschkewitz hieß. Auch das heutige Krankenhaus Juliusspital lässt heute Spuren eines jüdischen Friedhofs höchstens erahnen, hätte Herr Feller nicht ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht. Die Führung endete am Würzburger Hauptbahnhof, wo ein Mahnmal aus Gepäckstücken an die Deportationszüge erinnern soll, mit denen jüdische Unterfranken zwischen 1941 und 1943 in Konzentrationslager abtransportiert wurden.
Nach einem ereignisreichen Vormittag kehrten die Schülerinnen und Schüler zwar mit etwas Verspätung, aber vielen neuen Eindrücken und Erfahrungen an die Schule zurück. Das Feedback über die Fahrt war durchwegs positiv, was nicht zuletzt unseren vier Synagogenführern und -führerinnen Frau Schick, Frau Dr. Waltraud Schröter, Herrn Prof. Hartung und Herrn Gerber sowie unserem Ethiklehrer Herrn Feller für die interessante und ergänzende Stadtführung zu verdanken ist.